Positionen

Leitantrag des Landesdelegiertentages 2010 in Braunschweig

Haushaltspolitik in Zeiten der Wirtschaftskrise – Die Zukunft braucht starke Niedersächsinnen und Niedersachsen. | beschlossen am 05.06.2010

Die Bundesrepublik Deutschland befindet sich in der schwierigsten Wirtschaftslage seit ihrem Bestehen. Die daraus resultierenden Auswirkungen für Niedersachsen wurden erst durch die letzte Steuerschätzung im Mai 2010 ein weiteres Mal deutlich. Die für 2011 vorhergesagten Steuereinnahmen werden höchstwahrscheinlich hinter dem Niveau von 2007 zurück bleiben. Die Niedersächsische Landesregierung steht damit vor der enormen Herausforderung, auf ihrer bevorstehenden Haushaltsklausur für den Haushalt 2011 noch eine bestehende Finanzierungslücke in Höhe von 1,3 Milliarden Euro schließen zu müssen.

Ebenso schwierig ist die Lage der niedersächsischen Kommunen. Zwar haben es viele von ihnen – auch durch unpopuläre Maßnahmen – in den letzten Jahren geschafft, ihre Haushalte auszugleichen oder sogar Überschüsse zu erwirtschaften. Im Jahre 2009 sind jedoch die Einnahmen aus der Gewerbesteuer so eklatant eingebrochen, dass diese positiven Entwicklungen dramatisch konterkariert wurden. Einige Gemeinden befinden sich heute in einer fast aussichtslosen finanziellen Lage. Deshalb müssen auch die Kommunen ihren Sparkurs konsequent fortsetzen und Rahmenbedingungen für neue Einnahmen setzen. In einem solchen Szenario brauchen sie starke Partner, um notwendige neue Aufgaben anzugehen.

Wir begrüßen, dass der niedersächsische Innenminister zusammen mit Experten des Bundes, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände in der Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen vertreten ist. Wir erwarten von diesem Gremium ein klares Signal zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung. Die Kommunen sind die Urorte der Demokratie. Nur starke Gemeinde, Städte und Landkreise bieten die Gewähr für ein starkes Land Niedersachsen.

Wir, die Frauen Union Niedersachsen, sehen die Zwänge, die sich aus der gegenwärtigen Situation ergeben. Die Überwindung der Finanzkrise sowie die Sanierung der öffentlichen Haushalte haben für uns ebenfalls oberste Priorität, da weitere Belastungen für die nachfolgenden Generationen vermieden werden müssen. Wir unterstützen Land und Kommunen in ihrem Ziel, ab 2017 keine neuen Schulden mehr zu machen.

Gleichzeitig weisen wir darauf hin, dass gerade die gegenwärtige Situation dazu zwingt, die vorhandenen knappen Mittel so zielgerichtet und effektiv einzusetzen, dass unsere Gesellschaft für die Zukunft gerüstet ist. Die niedersächsische Landesregierung hat mit der Konzentration auf die Bereiche Arbeit, Bildung und Sicherheit richtige Schwerpunkte gesetzt. Niedersachsen hat derzeit die niedrigste Arbeitslosigkeit seit zwölf Jahren, den historisch höchsten Stand an Lehrkräften (trotz gesunkener Schülerzahlen) und die höchste Aufklärungsquote. Dieser Weg muss nun fortgesetzt werden. Die Frauen Union Niedersachsen sieht die wesentlichen Ressourcen zur Erreichung der finanzpolitischen Ziele in den Niedersächsinnen und Niedersachsen selbst. Qualifizierte und motivierte Arbeitskräfte mit innovativen Ideen und verantwortungsvollem Engagement sind eine wichtige Grundlage für die soziale Marktwirtschaft.

Vor diesem Hintergrund beschließt die Niedersächsische Frauenunion den folgenden Vier-Punkte-Plan:

1. Kinder sind die Zukunft

Bis 2060 wird nach bisherigen Schätzungen die Zahl der Kinder und Jugendlichen in Niedersachsen von 1,6 Millionen auf unter eine Million fallen. Das ist ein Minus von fast 40 Prozent. Hier gilt es mit gezielten familienpolitischen Maßnahmen gegenzusteuern. Familien und insbesondere Mütter und Kinder müssen gesellschaftspolitisch deutlich mehr in den Mittelpunkt gerückt werden. Dabei geht es meistens nicht um Geld, sondern vielmehr um Anerkennung und Wertschätzung. Die vielfältigen Leistungen von Eltern und das nervenaufreibende Zeitmanagement müssen beruflich und gesellschaftlich als hohe Kompetenz gewertet werden. Familienfreundliches Verhalten kann auch in Zeiten der Wirtschaftskrise weiter etabliert werden.

2. Frühkindliche Betreuung:

Die Sorge um die eigene berufliche Zukunft hält viele qualifizierte Frauen davon ab, Kinder zu bekommen. Die Frauen Union Niedersachsen fordert daher den weiteren Ausbau von Kinderbetreuungsmöglichkeiten, damit alle Mütter und Väter eine wirkliche Wahl haben zwischen dem Wiedereinstieg in die Berufstätigkeit oder der Zeit zuhause mit den Kindern. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Wirtschaftskrise und der die Sozialsysteme belastenden demographischen Entwicklung sind wir davon überzeugt, dass wir weder auf die Kinder noch auf die Mütter und Väter verzichten können, die nach der Geburt zeitnah wieder in der Beruf zurück kehren wollen.

Deshalb wollen wir, dass die Kommunen bis 2013 mindestens die gesetzlich festgelegten Krippenplätze einrichten. Sie stoßen damit allerdings an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. 9 Deshalb müssen Eltern und Betriebe ihren Anteil an der Finanzierung der laufenden Kosten tragen. Wir fordern daher, wirtschaftspolitisch gezielt die Ansiedlung von 1 Betriebskindergärten/-krippen und auch gewerblichen Betreuungseinrichtungen zu unterstützen. Daneben setzen wir uns dafür ein, dass Tagesmütter und private Anbieter 3 zukünftig noch stärker unterstützt und von bürokratischen Hemmnissen befreit werden. Gerade durch weiteres privates Engagement kann langfristig ein vielfältiges Betreuungsangebot für die Familien finanziell auf die Beine gestellt werden.

 3. Schulen:

Wir verfügen über gut ausgestattete und handlungsfähige Schulen unter eigenverantwortlicher Leitung. Unabhängig von jeglicher Schulformdiskussion strebt die Niedersächsische Frauen Union das Angebot einer verlässlichen ganztägigen Schulbetreuung an. Die Betreuungszeit für Grundschulkinder darf sich durch die Verlagerung der Horte in die Schulen nicht verschlechtern. Eltern sollen frei entscheiden, welche zeitlichen Optionen sie – entsprechend ihrer Berufstätigkeit – finanziell in Anspruch nehmen wollen. In Anbetracht des drohenden Fachkräftemangels fordert die Frauen Union die niedersächsischen Unternehmen und Schulen auf, bei der Gestaltung der Nachmittagsbetreuung zu kooperieren. Denn die Schülerinnen und Schüler von heute sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Morgen.

4. Gleichberechtigung leben

Frauen stellen mehr als 50 Prozent der niedersächsischen Bevölkerung, nehmen aber im Wirtschafts- und Berufsleben – vor allen in Führungspositionen – einen viel zu geringen Anteil ein. Die Frauen Union Niedersachsen begrüßt daher ausdrücklich die Entscheidung des Ministerpräsidenten Christian Wulff, den Frauenanteil in der Landesregierung auf drei Ministerinnen zu erhöhen. Das allein reicht jedoch nicht. Unser Ziel ist es, dass Frauen und Männer in den Führungsetagen von Wirtschaft und Politik mindestens zu jeweils 40 Prozent vertreten sind. Wir begrüßen deshalb die interne Frauenquote der Deutschen Telekom und fordern die niedersächsischen Großunternehmen auf, ähnliche Zielmarken festzulegen. Politik und Verwaltung kommt auch insofern eine Vorbildrolle zu. Die gleichberechtigte Zusammenarbeit von Frauen und Männern bringt Vielfalt, Ideenreichtum und Erfolg: Know How und Lebenserfahrung für die Zukunftsfähigkeit Niedersachsens.