Positionen

Leitantrag des Landesdelegiertentages 2013 in Wolfsburg

Zeit für Pflege finden! | beschlossen am 01.06.2013

Die Zahl der pflegebedürftigen Menschen wird in den kommenden Jahren kontinuierlich steigen. Allein zwischen 1999 und 2011 stieg in Niedersachsen die Anzahl der pflegebedürftigen Heimbewohner um 49,5 % und der ambulant Versorgten um 57,2 %.
Die Versorgung Pflegebedürftiger ist körperliche Schwerstarbeit und wird oft zu einer psychischen Belastung für die Pflegenden.
Etwa die Hälfte der Pflegebedürftigen ist von kognitiven Beeinträchtigungen betroffen. Dadurch entwickeln sie Verhaltensmuster, die einen besonders einfühlsamen und zum Teil überdurchschnittlich zeitaufwändigen Umgang der Pflegekräfte notwendig machen, der nicht minutengenau getaktet werden kann. Die Pflegekräfte können diesen angemessenen Umgang jedoch nur selten leisten, da die Arbeitsbelastung sehr hoch ist. Dies führt zu einem Gefühl der Unzufriedenheit sowohl auf der Seite der Pflegekräfte als auch der Pflegebedürftigen.
Trotz der Schwierigkeiten im Pflegealltag sind die Pflegekräfte überwiegend motiviert und bemühen sich um eine angemessene, auf die Bedürfnisse der Pflegebedürftigen ausgerichtete, Versorgung. Pflege bedeutet nicht nur Körperpflege, Nahrungsaufnahme und die Verabreichung von Medikamenten. Pflegen heißt auch Achtung vor der Würde des Menschen, die Zuwendung zum Menschen mit seinen individuellen Eigenschaften und das benötigt Zeit.

 Zahlen und Fakten zur Pflege (http://www.ms.niedersachsen.de/themen/soziales/pflegeversicherung 15.04.2013):

2011 wurden in Niedersachsen 91.556 Personen in stationären Pflegeheimen und 63.525 Personen durch ambulante Pflegedienste im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI) versorgt. Neben den 63.525 Personen, die ambulante Pflegedienste zu Hause versorgten, erhielten 121.617 Personen ausschließlich Pflegegeld, um ihre Pflege durch Pflegehilfen, in der Regel Angehörige, selbst zu organisieren.
71 % der Pflegebedürftigen sind Frauen.

In den stationären Pflegeeinrichtungen sind 85,6 % der Beschäftigten Frauen, bei den ambulanten Pflegediensten beträgt der Frauenanteil 90,3 %, bei den pflegenden Angehörigen beträgt der Anteil der Frauen ca. 75 %.

Beschäftigte in Pflegeeinrichtungen und bei ambulanten Pflegediensten:

52 % der Beschäftigten in Pflegeberufen leisten im Allgemeinen Überstunden, davon werden 86 % der Beschäftigten die Überstunden vergütet. Die körperliche und geistige Erschöpfung ist im Vergleich zu anderen Berufsgruppen überdurchschnittlich hoch. (http://www.lohnspiegel.de/main/zusatzinformationen/pflegeberufe 15.04.2013) Daher sind auch die Fluktuation und das Abwandern höher als in anderen Berufen.

Pflegende Angehörige:

Pflegebedürftige sind durchschnittlich über 80 Jahre alt und werden überwiegend von nahen Angehörigen wie dem (Ehe)Partner und Kindern versorgt, die zwischen 50 und 75 Jahre alt sind. Am häufigsten übernehmen Frauen (Ehefrauen, Töchter oder Schwiegertöchter) die Pflege. Die Gruppe der alten und hochbetagten Menschen wächst und die Zahl der pflegenden Angehörigen nimmt ab. Die Belastung ist für die pflegenden Angehörigen oft sehr hoch, Pflege kann zu einer „Rund-um die-Uhr“ Betreuung werden und belastet die pflegenden Angehörigen physisch und psychisch sehr. 31,2 % der pflegenden Angehörigen verzichten auf eine Unterstützung durch ambulante Pflegedienste aus finanziellen Gründen und 25,6 % aufgrund fehlender Informationen über diese Möglichkeit.
Beim Übergang von der stationären Behandlung zu einer Pflegesituation besteht bei den pflegenden Angehörigen ein hoher Bedarf an Information, Orientierung, Handlung und Bewältigung, der momentan nicht sichergestellt ist. (GKV Spitzenverband Kompetenzförderung von pflegenden Angehörigen und Patienten – Band 7)

Die Anzahl der Pflegebedürftigen steigt weiter. Aufgrund ihrer Arbeitsbelastung haben Pflegekräfte in Pflegeeinrichtungen und ambulanten Pflegediensten zu wenig Zeit für Zuwendung, menschliche Nähe und Gespräche sowie professionelle Betreuung. Pflegebedürftige haben Anspruch auf eine menschenwürdige Betreuung, eine reine Versorgung mit dem Notwendigsten ist nicht ausreichend. Pflegekräfte müssen zeitliche Freiräume haben, damit sie sich um Pflegebedürftige auch kümmern können und nicht nur das Notwendigste gehetzt abarbeiten müssen.
Pflegende Angehörige haben wenig Zeit für „ihr eigenes Leben“. Die Pflege des Angehörigen führt bei ihnen oft sukzessiv zu einer Überforderung, deren Folge eigene Erkrankung und der Verlust sozialer Kontakte sein kann.

Die CDU-geführte Landesregierung hat im November 2011– gemeinsam mit allen Akteuren – den Pflegepakt mit den Schwerpunkten

  •  Nachwuchsgewinnung
  • Attraktivitätssteigerung der Pflege
  • Ausbau der betrieblichen Gesundheitsförderung Pflegender
  •  Entbürokratisierung in der ambulanten und stationären Pflege

auf den Weg gebracht. Die Situation der Pflegekräfte und der Pflegebedürftigen hat sich dadurch verbessert, die Zahl der Auszubildenden in der Altenpflege ist in den letzten Jahren um 35 Prozent gestiegen, von rund 4.600 im Jahr 2008 auf mehr als 6.200 im Jahr 2011. Diese Erfolge dürfen nicht zum Stillstand kommen, sondern müssen kontinuierlich ausgebaut werden.

Die Frauen Union Niedersachsen fordert für die vier Bereiche der Pflege: Alten-, Kranken, Kinderund Behindertenpflege:

  •  Pflegekräfte und pflegende Angehörigen brauchen für die Erfüllung ihrer Aufgabe eine breitere gesellschaftliche Akzeptanz und Unterstützung
  • Alle an den Tarifverhandlungen Beteiligten sind aufgefordert, für eine bessere Bezahlung zu sorgen.
  • Für pflegende Angehörige sind niedrigschwellige, wohnortnahe Beratungsangebote auszubauen. Diese Betreuungsangebote sollen auch Beratungen zu dem Erwerb der Pflegetechniken sowie den eventuell zu erwartenden kognitiven Veränderungen des Pflegebedürftigen umfassen und Möglichkeiten für entlastende Maßnahmen aufzeigen.
  • Beim Eintritt einer Pflegesituation benötigen pflegende Angehörige Begleitung und Unterstützung durch geschultes Personal. Hierfür sind ausreichende wohnortnahe und flächendeckende Angebote mit einer Notfallhotline bereitzuhalten.
  • Pflege darf sich nicht auf eine minutiöse oder per Punktesystem festgelegte Versorgung mit den allernotwendigsten Grundleistungen beschränken. Die Zeitvorgaben bei den Pflegeleistungen sind zu reformieren.
  • Der Personalschlüssel muss so gestaltet werden, dass genügend Zeit für die Zuwendung zum Pflegebedürftigen bleibt. Überstunden von Pflegekräften dürfen nicht die Regel, sondern müssen eine Ausnahme sein.
  • Die Fachkräftequote in den Pflegeheimen muss gehalten bzw. nachweislich umgesetzt werden.
  • Programme, die sich mit der Attraktivitätssteigerung des Berufes Altenpfleger/in befassen, sind weiter auszubauen, insbesondere sind Maßnahmen zu ergreifen, die den Beruf für Männer attraktiver machen.
  • Die Absprachen aus dem Pflegepakt müssen konsequent umgesetzt und mit Leben erfüllt werden. Die Pflegekräfte müssen mehr an den Menschen und weniger an Dokumenten arbeiten.
  • Die Vereinbarkeit von familiärer Pflegetätigkeit und Beruf ist weiter zu verbessern, das Ehrenamt somit die Pflegestufen und die Qualifizierung müssen optimiert werden.
  • Der Stellenwert der Pflege innerhalb des Gesundheitssystems muss erhöht werden.