Positionen

Leitantrag des Landesdelegiertentages 2014 in Hannover

Frauen in der Arbeitswelt – Zugang und Chancen | beschlossen am 19.07.2014

Teilzeitbeschäftigungen, Unterbrechungen im Erwerbsleben wegen Kindererziehung und Pflege von Angehörigen, die Unterrepräsentanz in leitenden Funktionen sowie die Ausübung von Berufen, die aus historischer Sicht als typische Frauenberufe gelten und deshalb niedriger vergütet sind als typische Männerberufe, sind Ursachen, warum der Durchschnittsverdienst von Frauen um 22% niedriger ist, als der von Männern. Eine Verbesserung der Verdienstsituation von Frauen scheint nur dann möglich, wenn flankierende Maßnahmen ergriffen werden, welche die besonderen Biografien von Frauen berücksichtigen.
Die Erwerbsbeteiligung von Frauen steigt seit Jahren kontinuierlich und Verbesserungen werden langsam spürbar. Frauen konnten ihre Beschäftigungsanteile in vielen Berufen mit hohen Qualifikationsanforderungen steigern. Ob jedoch der erwartete Fachkräftebedarf künftig mehr Dynamik in die Berufswelt von Frauen und Männern bringt und eine familienorientierte Personalpolitik in den Unternehmen selbstverständlich wird, bleibt abzuwarten.

Teilzeitbeschäftigungen und Minijobs

Teilzeitbeschäftigung und Minijobs sind Frauendomänen. Von 100 sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen sind 40 in Teilzeit beschäftigt, bei den Männern sind es nur 6. Teilzeitbeschäftigungen und Minijobs bieten Frauen keine dauerhaften Perspektiven. Sie erwerben keine oder nur minimale Rentenansprüche und im Fall einer Trennung vom Ehemann sind sie von Armut bedroht. Frauen brauchen und wollen heute eine eigenständige Existenzsicherung. Eine dauerhafte Abhängigkeit vom Ehepartner lehnen junge Frauen ab. Sie sind gut ausgebildet und das Mutterwerden ist für sie nicht gleichbedeutend mit einem Ausstieg aus ihrer Erwerbstätigkeit. Der Ausbau von Kinderbetreuungsmöglichkeiten, ermöglicht ihnen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Gleichzeitig wünschen sich die jungen Mütter und Väter aber auch mehr Zeit für die Familie. Die geplante Regelung, dass eine befristete Teilzeitbeschäftigung eine Option zur Rückkehr in eine Vollzeitstelle beinhalten kann, ist der richtige Weg, um Familien zu stärken und entspricht dem Wunsch vieler Mütter und Väter. Allerdings können von dieser Regelung Frauen in bestehenden Arbeitsverhältnissen wohl nicht profitieren. Bestehende Teilzeitbeschäftigungen aufzustocken ist von den innerbetrieblichen Möglichkeiten und dem Willen des Arbeitgebers abhängig. Es besteht bislang kein Rechtsanspruch von einer Teilzeitstelle auf eine Vollzeitstelle zurückzukehren. Um diese Lücke zu schließen, ist im geplanten Gesetz eine Klausel zu verankern, die Arbeitgeber ab einer noch festzulegenden Mitarbeiterzahl verpflichten soll, bei Änderungen der Beschäftigungsverhältnisse zuerst Personen mit bestehenden Teilzeitbeschäftigungen im eigenem Betrieb nach einer gewünschten Aufstockung ihrer Arbeitszeit zu befragen.
Die Ausübung von Minijobs ist vielfach gewünscht. Allerdings darf dies nicht dazu führen, dass durch Minijobs sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse ausgehebelt werden. Daher müssen dort, wo durch Minijobs sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse umgangen werden könnten, Regelungen geschaffen werden, die dies verhindern.

Unterbrechungen im Erwerbsleben wegen Kindererziehung und Pflege

Unterbrechungen im Erwerbsleben wegen Kindererziehung und Pflege von Angehörigen dürfen sich nicht nachteilig auf die Familien auswirken. Familien sind die Säulen der Gesellschaft. Auch wenn der Staat für Familien- und Bildungspolitik viel Geld in die nächste Generation investiert, so transferieren doch andererseits auch die Familien ein kleines Vermögen an den Staatshaushalt. Insgesamt beläuft sich der Überschuss, pro Kind auf durchschnittlich 77.000 Euro (59. Jahrgang – ifo Schnelldienst 2/2006 – Martin Werding und Herbert Hofmann). Frauen und Männer, die Kinder erziehen, leisten auch aus diesem Grunde einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag, der entsprechend gewürdigt werden muss. Insbesondere Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren sind, hatten nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, Familie und Beruf zu vereinbaren. Wir begrüßen daher die sogenannten ‚Mütterrente‘ und die bessere Anerkennung von Kindererziehungszeiten. Allerdings ist für die Frauen Union Niedersachsen das Ziel noch nicht erreicht, denn wir wollen den Anspruch auf drei Entgeltpunkte für alle Mütter. Da die Kindererziehung einen gesamtgesellschaftlichen positiven Effekt bedeutet, muss die ‚Mütterrente‘ aus Steuermitteln finanziert werden.

Unterrepräsentanz von Frauen in leitenden Funktionen

„Wir wollen den Anteil weiblicher Führungskräfte in Deutschland erhöhen. Deshalb werden wir zu Beginn der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages Geschlechterquoten in Vorständen und Aufsichtsräten in Unternehmen gesetzlich einführen.“ (Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 16.12.2013.). Diese Geschlechterquote wird den Anteil von Frauen in Führungspositionen in DAX-geführten Unternehmen steigern. Drei Viertel der Männer in Führungspositionen sind verheiratet und haben Kinder, von den Frauen in Führungspositionen sind 53 % verheiratet, ein Drittel lebt ohne Partner, 44 % der Frauen sind kinderlos. Von den 12 Frauen in den Dax-30-Vorständen sind sieben (58%) kinderlos.

Obwohl Frauen ihren Beschäftigungsanteil in vielen Berufen mit hohen Qualifikationsanforderungen haben steigern können, muss dies nicht eine größere Beteiligung von Frauen an gut dotierten Führungs- und Managementpositionen bedeuten. Frauen unter 34 Jahren sind zu mehr als der Hälfte der Meinung, dass sich Karriere und Familie unter den derzeit herrschenden Anforderungen nicht vereinbaren lassen. Junge Managerinnen ziehen immer mehr das Familienleben dem Aufstieg im Job vor. Eine Förderung von Frauen in Führungspositionen darf daher Mütter nicht benachteiligen. Kinder dürfen weder für Frauen noch für Männer ein Karrierehemmnis sein. Berufliche Aufstiege sollten auch aus Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen möglich sein. Personen, die Kinder erziehen, erwerben Kompetenzen, die auch für Führungspositionen nützlich sind. Diese familiären Kompetenzen gilt es stärker bei Personalentscheidungen zu berücksichtigen. Für das Unternehmensprogramm „Erfolgsfaktor Familie“ und die Initiative „Lokale Bündnisse für Familie“, welche durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unterstützt werden, sollte niedersachsenweit stärker geworben werden.
Eine gesetzlich vorgegebene Frauenquote in der Privatwirtschaft für alle Unternehmen kann der falsche Weg sein, Frauen zu fördern. Nicht nur Handwerksbetriebe sehen darin einen unzulässigen Eingriff in die Personalplanung, der zu neuen Kosten und mehr Bürokratie führen würde. Der Frauenanteil bei Gesellen, Meistern und Selbstständigen wächst auch ohne solchen gesetzlichen Zwang.

Berufswahl: typische Frauenberufe – typische Männerberufe

Mädchen und junge Frauen erwerben bessere Schulabschlüsse als männliche Jugendliche. Der Anteil von jungen Frauen an den Abiturienten liegt niedersachsenweit bei 56 %, ihr Anteil bei den Schulabbrechern beträgt 39 %.
In Niedersachsen waren im Wintersemester 2013/2014 von 119.480 eingeschriebenen Studierenden 60.549 weiblich, dies entspricht einem Anteil von 50,7% und spiegelt den prozentualen Anteil der Frauen an der Gesamtbevölkerung wider.
Allerdings ist die Studienwahl von Männern und Frauen sehr unterschiedlich:
Männer entscheiden sich bei der Studienwahl deutlich häufiger für technische Fächer als Frauen; wogegen Frauen bei ihrer Studienwahl Fächer aus dem geisteswissenschaftlichen und sozialen Bereich bevorzugen. Zum Beispiel betrug der Männeranteil an den abgelegten Prüfungen für das „Lehramt für Grundschule“ in Niedersachsen 15%, in den ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen waren nur 21% der Prüflinge weiblich. Des Weiteren sind bei den nichtakademischen MINT-Berufen nur 12 % der Auszubildenden weiblich und der Anteil weiblicher Auszubildenden im Handwerk beträgt lediglich 25 %. Positiv ist hier jedoch zu vermerken, dass die Frauenanteile in männlich dominierten Handwerksberufen seit Jahren kontinuierlich steigen.
Frauen sind in nichtakademischen Gesundheitsberufen mit 80% stark überrepräsentiert, männliches Personal ist in Kitas und Grundschulen so gut wie nicht vorhanden.
Unternehmen, Verbände und andere Initiativen müssen bei ihren Bestrebungen, den Männer- bzw. Frauenanteil zu erhöhen, aktiv unterstützt werden. Bereits bestehende Projekte wie z.B. das ‚NiedersachsenTechnikum‘ und ‚Mehr Männer in Kitas’ sind auszubauen und verstärkt in der Öffentlichkeit vorzustellen. Eine breite gesellschaftliche Akzeptanz von Frauen in Männerberufen und Männern in Frauenberufen ist anzustreben. Ziel muss es sein, langfristig die Attraktivität von typischen Männerberufen für Frauen zu steigern und die Attraktivität von Frauenberufen für Männer zu erhöhen.
Es sollte überlegt werden z.B. für das Handwerk öffentlichkeitswirksam eine Meisterinnenprämie für Frauen auszuschreiben, die sich in männerdominierten Bereichen selbständig machen oder einen Betrieb übernehmen.

Zugang zum Arbeitsmarkt

Faktoren wie der Name und die damit von Arbeitgebern abgeleitete Herkunft und Geschlecht, sowie das Alter von Bewerberinnen und Bewerbern können zu Diskriminierungen beim Zugang zu einem Arbeitsplatz führen. Bestimmte damit verbundene Erwartungen und Vorstellungen führen dazu, dass einzelne Bewerbergruppen trotz guter Qualifikationen keine Chance auf ein Bewerbungsgespräch erhalten. Um nicht im Vorfeld bestimmte Gruppen wie z.B. Frauen auszugrenzen, könnten anonymisierte Bewerbungen ein geeignetes Instrument sein. Unternehmen sollten über die Möglichkeiten von anonymisierten Bewerbungsverfahren umfassend informiert und, sofern eine Erprobung erwünscht ist, vom niedersächsischen Innenministerium bei der Durchführung dieser Art von Bewerbungsverfahren unterstützt werden.

Müttern – insbesondere wenn sie alleinerziehend sind – wird oft unterstellt, dass sie aufgrund kranker Kinder höhere Fehlzeiten haben, was zu einer Benachteiligung bei der Einstellung führen kann. Um dieses Einstellungshindernis zu verringern, sind flächendeckend Notfallbetreuungsmaßnahmen zu etablieren. Diese Notfallbetreuungsmaßnahmen sollen kurzfristig die Betreuung eines erkrankten Kindes im elterlichen Haushalt ermöglichen.
2/3 der Alleinerziehenden, die Arbeitslosengeld II erhalten, sind ohne Ausbildung. Eine Ausbildung in Teilzeit ist für diese Personengruppe ein geeignetes Instrument, ihnen den Einstieg in das Arbeitsleben zu ermöglichen und muss daher weiter ausgebaut werden.
Lediglich 29,9% der Frauen im Alter von 50 bis 65 Jahren befinden sich in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Der Wiedereinstieg von Frauen in den Arbeitsmarkt, die z.B. ihre Erwerbstätigkeit wegen der Erziehung von Kindern und/oder der Pflege von Angehörigen unterbrochen haben, gestaltet sich schwierig. Daher müssen die im Familienmanagement und im Ehrenamt erworbenen Kompetenzen eine bessere Anerkennung finden. Denn es sind vor allem Frauen, die sich in Kitas und Schulen engagieren, die Cafeterias in den Schulen betreuen, Schulbibliotheken führen, Krabbelgruppen leiten oder alte und kranke Menschen in den Kliniken besuchen. Sie leisten diesen wichtigen Dienst für das Gemeinwohl häufig während ihrer Erziehungszeiten. Wenn sie dann wieder in ihren Beruf einsteigen wollen, klafft genau hier eine Lücke in ihrem Lebenslauf. Dabei haben diese Frauen in ihrem Ehrenamt mit ihrer Einsatzbereitschaft gezeigt, dass sie über Teamgeist verfügen, belastbar sind und organisieren können. Alles Eigenschaften, auf die viele Firmen bei ihren Bewerbern großen Wert legen. Es ist aber leider noch unüblich, dass dieses gesellschaftliche Engagement zum Beispiel in Form einer Ehrenamtsbescheinigung auch schriftlich bestätigt wird. Ein Nachweis über eine verantwortungsvolle ehrenamtliche Tätigkeit kann jedoch bei einem potenziellen Arbeitgeber einen großen positiven Effekt erzielen und Frauen den Wiedereinstieg in den Beruf erleichtern. Ein, von den Vereinen, Schulen, Kitas und anderen Organisationen, ausgestellter Kompetenznachweis sollte daher im ehrenamtlichen Engagement zur Selbstverständlichkeit werden.