Leitantrag des Landesdelegiertentages 2015 in Bremerhaven
Die soziale Marktwirtschaft ist das solide Fundament auf dem Deutschland und Niedersachsen gegründet sind. Motor unserer sozialen Marktwirtschaft ist die Wirtschaft, die mit den durch die zunehmende Digitalisierung einhergehenden Veränderungen in den Abläufen Schritt halten muss. Um auch zukünftig in der globalisierten Weltwirtschaft wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen wir die Chancen der Digitalisierung ergreifen, denn besonders für Frauen liegen in der Industrie 4.0 neue Chancen.
Industrie 4.0:
Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gewerkschaften haben während der Hannover Messe 2015 den Startschuss zur Plattform Industrie 4.0 gegeben. Ziel ist es, gemeinsam Konzepte der Digitalisierung der Wirtschaft aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten und an der Umsetzung in der Praxis zu arbeiten.
Unter Industrie 4.0 wird die Verschmelzung der Elektrotechnik, des Maschinenbaus und des Internets zu selbststeuernden Produktionsprozessen verstanden. Produkte können so mit weniger Energie und höherer Ressourceneffizienz flexibler gefertigt werden. Fertigungsabläufe werden effizienter und schneller. Der Schritt zur Industrie 4.0 ist technologisch und gesellschaftlich eine Herausforderung, bei der Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und Arbeitswelt in Einklang gebracht werden müssen. Branchenübergreifende gemeinsame Standards und Normen sind für eine erfolgreiche Umsetzung des Projekts Industrie 4.0 eine wesentliche Voraussetzung. Industrie 4.0 kann und wird nur mit dem Mittelstand gelingen. Die Chancen der Industrie 4.0 sollten daher auch genutzt werden, um die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt voranzubringen, familienfreundliche Arbeitsbedingungen auszubauen und mehr junge Frauen für eine Ausbildung in den MINT-Berufen zu gewinnen.
Übergang Schule-Beruf:
Der Übergang von Schule in den Beruf ist eine wichtige Weichenstellung für die Jugendlichen. Damit wird nicht nur über die berufliche Zukunft der jungen Menschen, sondern auch die Entwicklung der Wirtschaft entschieden. Deshalb ist es notwendig, Projekte, die sich intensiv mit dem Übergang von Schule in den Beruf befassen zu fördern und weiter auszubauen. Eine fundierte schulische digitale Grundausbildung der Kinder und Jugendlichen ist hierbei ein wesentlicher Baustein für die Chancen der Jugendlichen am Arbeitsmarkt. Ohne entsprechend gebildeten und ausgebildeten Nachwuchs ist Wirtschaftswachstum nicht realisierbar. Die Schulen haben hierbei mit dem Bildungsauftrag der Schülerinnen und Schüler, welcher auch eine Vorbereitung auf das Berufsleben umfasst, eine wichtige Schlüsselposition inne. Schulische Projekte, deren Ziel es ist, die Attraktivität von männerdominierten Berufen für junge Frauen und frauendominierten Berufen für junge Männer zu steigern, sind intensiv zu unterstützen und flächendeckend zu etablieren. Nur eine breite schulische Vielfalt bereitet junge Menschen individuell und ihren Fähigkeiten entsprechend auf ihr Berufsleben vor. Dazu ist es unbedingt notwendig, dass neben den Oberschulen und dem Wahlangebot Gesamtschulen auch ein flächendeckendes und engmaschiges Angebot an Gymnasien garantiert erhalten bleibt, damit die bestmögliche Förderung der Schülerinnen und Schüler nicht durch unzumutbar lange Schulwege gefährdet wird.
Eine Fokussierung auf das Modell der Gesamtschule als Regelschule lehnt die Frauen Union Niedersachsen daher strikt ab.
Existenzgründungen von Frauen:
Existenzgründungen sind ein wesentlicher Beitrag zum Wirtschaftswachstum und schaffen neue Arbeitsplätze. Positiv bei Existenzgründungen von Frauen ist, dass sie bewusster mit Risiken umgehen und ihr Unternehmen ökonomisch nachhaltiger führen, so dass sie länger am Markt bestehen bleiben. Außerdem legen Frauen im Allgemeinen auf Fragen nach sozialer Verantwortung und Ökologie größeren Wert als Männer, der Schwerpunkt ihrer Gründungen liegt in den Wachstumsbranchen Gesundheits- und Kreativwirtschaft.
Das Gründungspotenzial von Frauen wird hierbei noch nicht voll ausgeschöpft. Mit 47 % stellen die Frauen nahezu die Hälfte der Erwerbstätigen in Niedersachsen. Von diesen mehr als 4 Mio. erwerbstätigen Frauen sind gerade 27 % selbständig. Angesichts des demografischen Wandels und dem zu erwartenden Fachkräftemangel müssen wir alle Kräfte mobilisieren, um die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands zu sichern.
Es ist daher notwendig, die Gründungspotenziale von Frauen besser zu erkennen, sichtbar zu machen und zu fördern und die vielfältigen Kommunikationskanäle zu nutzen. Hierzu gehören spezielle Beratungs- und Qualifizierungsangebote sowie eine stärkere Vernetzung von bereits etablierten Selbständigen und Gründerinnen. Frauengeführte Unternehmen sind in der Regel kleiner als männergeführte und wachsen langsamer. Das hängt neben der Branchen auch mit den Ressourcen zusammen: Männer verfügen in Deutschland durchschnittlich über 43 % mehr Vermögen, haben ein 23 % höheres Einkommen und damit deutlich bessere Voraussetzungen, Kapital für eine Existenzgründung aufzubringen (Quelle: Harriet-Taylor-Mill-Institut, Claudia Gather, 2013). Des Weiteren haben Frauen, auch bedingt durch die Familienphase, häufig weniger Eigenkapital. So sind kleine finanzielle Beiträge zur Sicherung des Lebensunterhalts und der sozialen Absicherung wie der Gründungszuschuss von entscheidender Bedeutung für eine Existenzgründung von Frauen.
Wichtig ist darüber hinaus, den Zugang zu Fremdkapital für Gründerinnen zu erleichtern bzw. die damit verbundenen Hemmnisse abzubauen, um das fehlende Startkapital bereitstellen zu können.
Frauen sollten auch verstärkt über die Möglichkeiten einer Unternehmensgründung und Übernahme einer Unternehmensnachfolge informiert werden. Entsprechende Beratungseinrichtungen sind weiter auszubauen.
Frauen in leitenden Funktionen:
Mindestens 30 Prozent der Posten in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen sollen ab 2016 mit Frauen besetzt werden. Diese Vorgabe ist ein wichtiger Schritt, um auch Frauen in Entscheidungen großer Unternehmen einzubinden. Noch sind Frauen in Führungspositionen stark unterrepräsentiert.
Obwohl der Beschäftigungsanteil von Frauen in vielen Berufen mit hohen Qualifikationsanforderungen in den letzten Jahren gestiegen ist, bedeutet dies nicht automatisch, dass der Anteil der Frauen an gut dotierten Führungs- und Managementpositionen entsprechend gewachsen ist. Frauen unter 34 Jahren sind zu mehr als der Hälfte der Meinung, dass sich Karriere und Familie unter den derzeit herrschenden Anforderungen nicht vereinbaren lassen. Junge Managerinnen ziehen immer mehr das Familienleben dem Aufstieg im Job vor. Eine Förderung von Frauen in Führungspositionen darf Mütter nicht benachteiligen. Kinder dürfen weder für Frauen noch für Männer ein Karrierehemmnis sein. Berufliche Aufstiege sollten auch aus Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen heraus möglich sein. Personen, die Kinder erziehen, erwerben Kompetenzen, die auch für Führungspositionen wichtig sind. Diese familiären Kompetenzen und in der Familienarbeit erworbenen Soft Skills gilt es stärker bei Personalentscheidungen zu berücksichtigen.